Rede im Bundestag 07.06.2019

Eine große Idee für die Zukunft!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In beiden Anträgen von Linkspartei und FDP werden wichtige Dinge angesprochen. Die einen adressieren die Höhe von Leistungen im Sozialgesetzbuch II und die anderen die Administration von Leistungen. Beide Anträge gehen uns nicht weit genug. Die einen enden wie schon öfter im bedingungslosen Grundeinkommen, die anderen enden in Vorschlägen, kleine Rädchen zu drehen. Diese kleinen Rädchen gehen zwar nicht alle in die falsche Richtung, aber es bleiben eben kleine Rädchen.

Wir haben uns vorgenommen, zwei Dinge zu tun: kleine Rädchen -manchmal auch größere – in der Regierungsverantwortung zu drehen und darüber hinaus auch eine große Idee für die Zukunft zu skizzieren. Die Rädchen, die wir gedreht haben und noch drehen wollen, bewirken Gutes und manchmal sogar Großes: Mindestlohn, Gute-Kita-Gesetz, Starke-Familien-Gesetz. Die Linkspartei redet von der Erhöhung der Transferleistungen im SGB II. Wir reden von der Erhöhung vor allem niedriger Einkommen insgesamt.

Kleine Einkommen zu erhöhen – das betrifft auch die Regelsätze und Transferleistungen -, verbessert nicht nur die soziale Lage der Bürgerinnen und Bürger, sondern stärkt auch unser Wirtschaftswachstum; das hat die Gemeinschaftsprognose der Wirtschaftsforschungsinstitute gezeigt. Diesen Weg wollen wir auch gerne weitergehen.

Mit unserem Sozialstaatspapier wollen wir jedoch mehr. Wir wollen eine grundsätzliche Reform des Sozialstaats einleiten. Ich bin der Überzeugung, dass wir zwischen denjenigen unterscheiden müssen, die selber etwas an ihrer Lebenssituation verändern können, und denjenigen, die das noch nicht oder nicht mehr können. Für Erstere wollen wir ein Recht auf Arbeit als Leitgedanken verankern und Hartz IV von oben wie von unten austrocknen. Wir wollen jede mögliche Unterstützung geben, damit Menschen nicht arbeitslos werden. Das beginnt mit Gesundheitsschutz und Reha und geht weiter mit Qualifizierung und Weiterbildung.

Dazu haben wir erste Räder gedreht. Mit dem Qualifizierungschancengesetz haben wir die Weiterbildung verbessert, und bereits in der letzten Legislatur haben wir im Rahmen des Flexirentengesetzes Verbesserungen bei Prävention und Reha erreicht.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Arbeitslosigkeit ist selten ein selbst gewähltes Schicksal. Oftmals liegen die Gründe nicht in der Person, sondern in den Umständen. Deswegen wollen wir ein Recht auf Arbeit, also dass allen, die auch arbeiten wollen, Arbeit ermöglicht wird. Wir wollen, dass ihnen ein realistisches und adäquates Angebot gemacht wird, entweder in Form einer Qualifizierung, einer Weiterbildung oder eines angemessenen Jobangebots.

Es gibt genug gesellschaftlich notwendige Arbeit. Sie muss aber bezahlt werden. Und wir bezahlen eben lieber Arbeit als Arbeitslosigkeit. Auch diesen Weg wollen wir weitergehen. Mit dem sozialen Arbeitsmarkt haben wir einen ersten Schritt getan, und zwar Hartz IV von unten auszutrocknen, indem wir Menschen, auch wenn der Weg lang und steinig ist, aus der Arbeitslosigkeit in ein selbstbestimmtes Leben holen wollen. Auch da gilt es, weitere Schritte zu gehen und ein Netz von Unterstützung vor Ort so aufzubauen, dass einfach, individuell und angstfrei geholfen werden kann, wenn es die Menschen besonders schwer haben.

Ein Vorschlag ist, dies in Form von Bürgerservicestellen zu tun. Diese fassen alle Sozialversicherungs- und Familienleistungen zusammen und geben Hilfen aus einer Hand. Sie können durch kurze Wege und ein Zusammenspiel der unterschiedlichen Leistungsträger auch komplexe Lebenslagen begleiten. Aber sie stehen genauso für Beratung und Beantragung von Sozialleistungen zur Verfügung und klären die Zuständigkeiten dann im Backoffice selbst.

Die Bürgerinnen und Bürger haben an uns eine Erwartung. Sie erwarten eben nicht nur, dass wir gute Sozialleistungen vorhalten und beschließen, sondern auch, dass wir sie unterstützen, wenn sie Hilfe brauchen, und gute Leistungen für Familien und Leistungen, die die Gesundheit fördern, zur Verfügung stellen. Sie erwarten zudem, dass sie gut beraten werden und einfach an die Leistungen gelangen, die ihnen zustehen.

Sie erwarten, dass sie nicht von A nach B nach C geschickt werden und dass sie die Anträge, die sie ausfüllen sollen, auch verstehen. Wir wollen Hilfen aus einer Hand, einen Sozialstaat als Partner. Das Hin- und Herschicken von Bürgerinnen und Bürgern wollen wir beenden.

Dann gibt es noch diejenigen, die nichts mehr oder noch nichts an ihrer Einkommenssituation verändern können. Die brauchen eine Leistungshöhe, die ihnen auch gesellschaftliche Teilhabe garantiert. Aber allein die angemessene Höhe einer Grundsicherungsleistung garantiert das eben noch nicht. Der zunehmenden Einsamkeit von Menschen kann man nicht alleine durch die Höhe einer Transferleistung begegnen. Wir wollen da wohnortnahe soziale Angebote schaffen und eine soziale Infrastruktur aufbauen, die die Menschen auch in die Gemeinschaft holt.

Ein Recht auf Arbeit, ein Einkommen aus Arbeit, das ein gutes Leben sichert, eine Grundsicherungsleistung und eine soziale Infrastruktur, die die Menschen – alt wie jung – in die Mitte der Gesellschaft holt, und einfache Hilfen aus einer Hand zur Unterstützung von Familien, von Menschen in verschiedenen Lebensphasen, aber auch bei Krankheit und Not: So stellen wir uns die Zukunft vor.

Glück auf!