Weichenstellung für eine moderne Einwanderungspolitik

Gesetzespaket Migration und Integration

Diese Woche hat der Deutsche Bundestag einem Gesetzespaket zum Thema Migration und Integration aus sieben verschiedenen Gesetzen zugestimmt. Hierbei handelt es sich um eine Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Entfristung des Integrationsgesetzes, eine Verbesserung des Datenaustauschgesetzes sowie ein Ausländerbeschäftigungsfördergesetz, ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, ein Gesetz über die Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung und ein Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht. Viele Punkte, gerade aus dem letztgenannten Gesetz, auch Geordnete-Rückkehr-Gesetz genannt, sorgen für Unmut bei vielen Bürgerinnen und Bürgern. Im Gegensatz zu den Gesetzen im Bereich Migration und Integration zwischen 2015 und 2017, war dieses Paket kein Schnellschuss, sondern ein Teil des Koalitionsvertrages. Schon damals waren dort Inhalte festgeschrieben, die keine sozialdemokratische Handschrift tragen. Und auch schon damals habe ich dies gegen Verhandlungserfolge im Bereich Arbeit und Soziales abgewogen, die wir teilweise auch schon beschlossen haben, wie das Starke-Familien- oder das Gute-Kita-Gesetz.

Ohne Zweifel gibt es jetzt auch im Gesetz Punkte, die mir Bauschmerzen bereiten. Diese Punkte muss man aber auch gegen die von uns erreichten Verbesserungen im Gesamtpaket abwägen:

Mit diesem Gesetzespaket schaffen wir legale Wege für die Migration. Diejenigen Geflüchteten, die sich in die Gesellschaft integrieren und teilhaben wollen, die werden aktiver gefördert und die Integration wird Ihnen erleichtert. Der Arbeitsmarkt wird für sie früher als bisher geöffnet und Unterstützung gewährleistet. Wer hier Fuß gefasst hat, arbeitet oder eine Ausbildung macht, bekommt einen sicheren Aufenthaltsstatus – den so genannten Spurwechsel aus dem Asylrecht heraus.
Ich möchte mich zuerst einmal mit den Kritikpunkten befassen, bevor ich auf die Errungenschaften eingehe.

1.„Duldung light“:
Diesen Vorschlag des Innenministers konnten wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten rausverhandeln. Was die Union hiermit bezwecken wollte war, dass Ausländerinnen und Ausländer, denen die Unmöglichkeit einer Abschiebung „zuzurechnen“ ist, nur noch eine „Ausreiseaufforderung“ erhalten sollten. Dieser Status hätte sie deutlich schlechter gestellt als Geduldete, denn die Union wollte schärfere Arbeitsverbote, keine Integrationsangebote und nur noch für Unterkunft, Nahrung und Hygieneartikel bezahlen. Was allerdings geblieben ist, ist der Status „Duldung mit ungeklärter Identität“. Mit diesem Instrument wird die Klärung der Identitäten verbessert. Ich halte dies für legitim und stehe dafür ein, dass man weiß, wer sich im Land aufhält. Immer wieder kommt es zu Schwindel, falschen oder mehreren Pässen im Besitz von einer Person. Hier muss für Klarheit gesorgt werden, um wen es sich eigentlich handelt, der hier in Deutschland Asyl beantragt. Ich weiß aber auch, dass es in vielen Fällen schwer bis unmöglich ist Pässe oder Geburtsurkunden zu beschaffen. Diese Personen können nach dem neuen Gesetz je-doch eidesstattlich erklären, dass sie die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung unternommen haben, aber nicht erfolgreich waren. Dieses Verfahren ist neu und eine deutliche Verbesserung zum bisherigen Verfahren. Damit gelten ihre Pflichten als erfüllt und sie können – anders als Geduldete bisher – eine Beschäftigungserlaubnis erhalten und von den Bleiberegelungen profitieren.

2.„Ausweitung Abschiebehaft“:
Zum Asylrecht gehört es, dass einige Personen nach einer Prüfung kein Recht auf Asyl und Unterstützung in Deutschland haben. Diese Menschen müssen wieder ausreisen. Abschiebung ist hier das letzte Mittel, denn zur Abschiebehaft gibt es Alternativen. Für die Betroffenen, die keine Aussicht auf einen langfristigen Aufenthalt haben, bleibt immer noch die freiwillige Rückreise. Hier-für gibt es bundesweit Beratungszentren und Rückführprogramme der Bundesregierung, die die Rückkehrer finanziell unterstützen. Mittlerweile gibt es auch noch Programme des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in vielen Drittstaaten, wo die Rückkehrerinnen und Rückkehrer eine Qualifikation erhalten und ihnen geholfen wird.

3.„Kriminalisierung der Zivilgesellschaft“:
Diesen Punkt gab es in dem ersten Entwurf des Gesetzes des Bundesinnenministeriums. Die Union wollte diesen Punkt auch behalten, wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten konnten ihn aber dennoch erfolgreich rausstreichen. Weder die Helferkreise, noch Anwälte oder Journalisten werden in dem neuen Gesetz kriminalisiert. Geheimhaltungspflichten müssen in Zukunft – wie bisher – nur von Amtsträgerinnen und Amtsträgern oder besonders verpflichteten Personen, zum Beispiel ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern, beachtet werden.

Das Gesetzespaket legt den Fokus auf mehr Ordnung in der legalen Migration, den Spurenwechsel, mehr Integration, Bildung und Arbeit. Außerdem laden wir Menschen jetzt ein, zu uns zu kommen und hier vor Ort nach einem Ausbildungs- und Arbeitsplatz zu suchen. Bisher konnten nur diejenigen kommen, die aus dem Ausland bereits ein Arbeitsplatzangebot in Deutschland hatten. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass man den Abschluss unter bestimmten Bedingungen erst in Deutschland anerkennen lässt. Weiterhin haben wir den Spurwechsel von Asyl- zu Erwerbsmigration ausgebaut.
Die bereits bestehende Ausbildungsduldung wird konkretisiert und erweitert. Außerdem können alle, die bis zum 31. August 2018 eingereist sind und die die Bedingungen erfüllen eine Beschäftigungsduldung beantragen. Diese Duldung konnten wir bis zum 31. Dezember 2023 verlängern. Das bedeutet, dass vor allem die Gruppe abgelehnter Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die nicht in ihre Heimatländer ab-geschoben werden können, trotzdem die Chance zur Integration in Deutschland bekommen. Viele dieser Menschen sind schon seit Jahren auf unsicherer rechtlicher Basis in Deutschland. Sie sind gut integriert, sprechen unsere Sprache, machen eine Ausbildung, oder arbeiten. Hiermit geben wir ihnen endlich eine verlässliche Bleibeperspektive. Dies ist etwas vollkommen Neues im deutschen Recht.

Auch belohnen wir diejenigen, die sich aktiv in die Gesellschaft einbringen. Geflüchtete, die sich ehrenamtlich ein-bringen und dabei Geld verdienen, bekommen dieses von nun an als Zuverdienst auf ihre Bezüge. Es wird nicht mehr mit diesen verrechnet. Durch das Ausländerbeschäftigungsfördergesetz werden künftig der Zugang zur Förderung von Berufsausbildungsvorbereitung und Berufsausbildung weitgehend unabhängig von den aufenthaltsrechtlichen Vorgaben geregelt. Neu ist auch, dass Geflüchtete, bei denen ein rechtmäßiger Aufenthalt in Deutsch-land zu erwarten ist, bestimmte Leistungen der aktiven Arbeitsmarktförderung bereits im Vorfeld des Starts in den Arbeitsmarkt gewährt bekommen. Die Agentur für Arbeit übernimmt zum Beispiel die Bewerbungskosten oder Fahrtkosten zum Arbeitsantritt.

Außerdem haben wir die Möglichkeiten, an Integrations- und Sprachkursen teilzunehmen, für Gestattete (im Asylverfahren befindliche) und Geduldete (zumeist abgelehnt, aber Abschiebung vorübergehend ausgesetzt) ausgebaut. Auch haben wir es geschafft, dass das Arbeitslosengeld bei Teilnahme an Integrationskursen und an berufsbezogener Sprachförderung anders als bisher fortgeführt wird. Für die Menschen, die sich im Asylverfahren befinden, haben wir den Zugang zu Integrationskursen und Sprachförderung verbessert. Alle Gestatteten, die bis zum 01. Juli 2019 ein-reisen, können nach drei Monaten an Integration- und Sprachkursen teilnehmen. Der Entwurf der Bundesregierung sah neun Monate vor. Diese Gruppe hat nun auch Zugang zur assistierter Ausbildung und berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen, ebenfalls schon nach drei Monaten.

Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, sind die Aufenthaltszeiten in den AnkER-Zentren auf maximal 18 Monaten beschränkt. Bei Familien mit Kindern auf maximal sechs. Für Frauen und schutzbedürftigen Personen sind die Bundesländer angewiesen schnelle und effektive Maßnahmen zu deren Schutz zu gewährleisten. Das politische Signal dieses Regelungsvorschlags halte ich für sehr problematisch. Dies ist für mich kein Bestandteil einer humanitären Asyl- bzw. Flüchtlingspolitik Deutschlands. Die gesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen dieser Art der Unterbringung sowohl für die Betroffenen als auch für die ehrenamtlichen Unterstützungsstrukturen erscheinen mir beträchtlich. Flüchtlingsarbeit vor Ort wird deutlich erschwert, wenn eine Beschulung von Kindern erschwert und der Zugang zu Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten noch komplizierter wird. Auch sind Menschen aus so-genannten „sicheren Herkunftsländern“ von dieser Regelung ausgenommen und können verpflichtet werden, länger als 18 Monate in einem AnKER-Zentrum zu wohnen.

Wir konnten gegen die Union durchsetzen, dass den Antragstellerinnen und Antragstellern von Tag 1 an eine Asylverfahrensberatung zustehen. Diese wird nach unseren Bemühungen auch von unabhängigen Organisationen, wie Wohlfahrtsverbänden durchgeführt. Gerade dagegen hat sich die Union lange gewährt. Positiv beschiedene Antragsstellerinnen und Antragssteller werden unverzüglich aus dem AnkER-Zentrum entlassen und im Bundesland verteilt. In einem AnkER-Zentrum bescheidet das BAMF binnen weniger Wochen über einen Asylantrag. Das heißt für viele Menschen, dass das AnKER-Zentrum eine Beschleunigung des Asylverfahrens ist.
Ich habe dem Gesetzespaket zugestimmt, weil es für die, die bei uns sind und sich integrieren und anstrengen leichter wird. Für sie bedeutet das Gesetzespaket eine leichtere und einfachere Integration in die deutsche Gesellschaft und den Arbeitsmarkt und eine sichere Bleibeperspektive in Arbeit oder Ausbildung.