Demo­kra­tische Kräfte in der Tür­kei stärken

Türkei

Nach dem sehr knappen Ausgang des Referendums in der Türkei steht Präsident Erdogan mehr denn je in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die türkische Gesellschaft nicht in einem gefährlichen Strudel aus innenpolitischer Eskalation in den Abgrund gerissen wird. Wir bedauern, dass sich 51,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler für ein autoritäres Präsidialsystem ausgesprochen haben, mit dem der demokratischen Gewaltenteilung in der Türkei schwerer Schaden zugefügt wird. Allerdings bedeutet das knappe Ergebnis auch, dass 23 Millionen Türkinnen und Türken gegen die Verfassungsänderung votiert haben.

In der jetzigen schwierigen Situation setzen wir alles daran, die pro-europäischen und demokratischen Kräfte in der Türkei zu stärken. Es wäre falsch, nun leichtfertig unsere Verbindungen zur Türkei zu kappen. Wir müssen in unserem eigenen Interesse und dem der demokratischen Türkinnen und Türken dialogbereit bleiben, aber zugleich unsere Erwartungen an die türkische Regierung in aller Deutlichkeit formulieren. Dazu gehört di Aufforderung, die zu Unrecht inhaftierten Journalisten und Oppositionellen freizulassen. Klar ist: Eine Wiedereinführung der Todesstrafe ist mit den Werten der Europäischen Union unvereinbar und würde einen Beitritt der Türkei zur EU unmöglich machen.

Bei den in Deutschland abgegebenen Stimmen hat sich eine beunruhigend hohe Zahl für die Einführung des Präsidialsystems ausgesprochen. Dies nun als Vorwand zu nehmen, um eine Abschaffung des Doppelpasses zu fordern, ist absurd. Es ist unverantwortlich, türkeistämmige Kinder und Jugendliche mit dem Entzug der doppelten Staatsbürgerschaft für das Wahlverhalten ihrer Eltern bestrafen zu wollen. Statt auszugrenzen, müssen wir dafür sorgen, dass alle hier lebenden Türkinnen und Türken ein Teil unserer Gesellschaft werden. Das 2016 verabschiedete Integrationsgesetz ist dafür ein guter Baustein, da es erstmals klare Regeln für die Integration formuliert.