Organspende
In Deutschland gehen die Zahlen der Organspenden seit 2012 zurück. Im vergangenen Jahr sank die Zahl der Spenden auf einen Tiefpunkt. Gleichzeitig warten mehr als 10.000 Menschen auf ein Spenderorgan. Für viele von ihnen geht es um Leben und Tod. Da die Frage nach Organspende eine grundlegende ethische Frage ist, hat der Bundestag dieses wichtige Thema am Mittwoch in einer offenen Orientierungsdebatte diskutiert. Ähnlich wie bei der Debatte um die Sterbehilfe im Jahr 2015 und der Frage rund um die Kostenübernahme bei Pränataltests, handelt es sich auch hier um ein emotionales Thema mit weitreichenden sozialen und gesellschaftlichen Konsequenzen. Der Fraktionszwang wird aufgehoben. Es wird 2019 eine Gewissensentscheidung im Bundestag geben. Wir, als Abgeordnete, werden uns in interfraktionellen Gruppen zusammenfinden und über die Fraktionsgrenzen hinaus Lösungen finden.
Bisher gilt in Deutschland die sogenannte Entscheidungslösung, d.h. jede und jeder entscheidet zu Lebzeiten, ob sie oder er sich für oder gegen eine Organspende im Falle eines möglichen Hirntodes entscheiden. Festgehalten wird diese Entscheidung in der Regel auf einem Organspendeausweis. Auf diesem Ausweis kann festgelegt werden, ob man generell einer Organentnahme zustimmt, ob man nur für einzelne Organe zustimmt oder ob man diese generell ablehnt. Unserer Meinung nach stellt die Entscheidungslösung keine überzeugende Antwort auf die derzeit bestehenden Probleme bei der Organspende dar. Die Zahlen der Spenden sind seit 2010 rückläufig. Viele Menschen in Deutschland besitzen keinen Organspendeausweis oder haben ihren Willen anderweitig schriftlich festgehalten.
Dem entgegen steht die Widerspruchslösung, die zum Beispiel in Spanien oder Frankreich gilt. Die Widerspruchslösung dreht die Entscheidungsfindung um. Die Zustimmung der Patientin oder des Patienten wird angenommen, außer sie oder er hat zu Lebzeiten einer Organspende widersprochen. Bei der Widerspruchslösung muss also nicht mehr aktiv die Entscheidung für eine Organspende eingeholt werden, sondern Ärztinnen und Ärzte müssen prüfen, ob die Entscheidung gegen eine Organspende vorliegt. Bei einer sogenannten doppelten oder erweiterten Widerspruchslösung werden die Angehörigen in die Entscheidung mit eingebunden. Liegt keine schriftliche Erklärung vor, müssten die Angehörigen entscheiden. Wenn sie Widerspruch einlegen, wäre die Organentnahme unzulässig.
Die Widerspruchslösung vereinfacht das Verfahren – was gut ist für die Menschen, die auf ein gespendetes Organ warten. Denn viele Menschen warten erfolglos auf ein Spenderorgan. Die Widerspruchslösung würde die Anzahl der gespendeten Organe erhöhen und damit vielen Menschen das Leben retten. Gleichzeitig wirft das vereinfachte Verfahren auch die dringende Frage auf, wie sichergestellt wird, dass kein Widerspruch vorliegt. Das hat nicht nur ethische und rechtliche Konsequenzen, sondern auch schlichtweg organisatorische für die betroffenen Krankenhäuser.
Darüber hinaus sind noch viele weitere Modelle denkbar. Zum Beispiel wäre es auch möglich, bei der Entscheidungslösung zu bleiben, aber jede Bürgerin und jeden Bürger bei Behördengängen – wie der Beantragung von Führerschein oder Personalausweis – nach ihrer oder seiner Position zur Organspende zu fragen. Damit müssten sich die Menschen weiterhin aktiv für die Organspende entscheiden. Der Vorteil wäre aber, dass sich jede Bürgerin und jeder Bürger mehrmals im Leben mit der Frage „Organspende – ja oder nein?“ auseinandersetzen müsste.
Wir werden über diese Fragen in den kommenden Monaten diskutieren und Lösungen finden.