NSU Verbrechen aufklären
Deutliche Worte auf mehr als tausend Seiten: In ihrem Abschlussbericht werfen die Abgeordneten des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages den Sicherheitsbehörden systematisches Versagen vor. Vor allem aber erhebt der Berliner Untersuchungsausschuss schwere Vorwürfe gegen das Land Hessen, die Volker Bouffier in Erklärungsnot bringen.
Zu den genauen Umständen des Mordes an Halit Yozgat, mutmaßlich erschossen von den Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrundes, gibt es noch immer viele Fragezeichen. Eines der größten steht hinter der Rolle des ehemaligen Mitarbeiters des hessischen Verfassungsschutzes und V-Mann-Führers Andreas Temme, der sich während des Mordes oder nur wenige Sekunden zuvor am Tatort aufhielt. Temme geriet schnell in den Verdacht der Polizei, auch da er sich trotz mehrfachen Fahndungsaufrufs nicht als möglicher Zeuge bei der Polizei meldete.
Inwieweit Andreas Temme tatsächlich an der Tat beteiligt gewesen ist, ist bis heute unklar. Nicht zuletzt, weil ihn seine Vorgesetzten und die gesamte Geheimdienstbehörde schützen. Als sich die Polizei an das hessische Innenministerium wandte, um die von Temme geführten V-Männer zu vernehmen, lehnte der für das Landesamt für Verfassungsschutz damalig verantwortliche Innenminister und heutige Ministerpräsident Volker Bouffier dies per Sperrvermerk ab. Mehr noch: Seinerzeit hatte Volker Bouffier persönlich angeordnet, die hessischen Landtagsabgeordneten ungeachtet ihrer verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte nicht über den Verdacht gegen den Verfassungsschützer Temme zu informieren.
Dass eine Hausdurchsuchung bei Temme im Jahr 2006 ohne „Sicherungsmaßnahmen“ aufgeschoben wurde, bezeichnet nunmehr auch der Berliner NSU-Untersuchungsausschuss als „schweren und nicht reparablen Fehler“. Vor allem aber moniert der Abschlussbericht des Deutschen Bundestages eine „lückenhafte Aktenvorlage des Landes Hessen“ und sieht darin eine „erhebliche Beeinträchtigung seiner Aufklärungsarbeit“: Der hessische Inlandsgeheimdienst hatte den Bundestagsabgeordneten nicht von Anfang an sämtliche Unterlagen vollumfänglich zur Verfügung gestellt.
Trotz mehrerer Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und auf Landesebene ist das Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds damit weiterhin nicht vollständig ausgeleuchtet – und der Mord an Halit Yozgat noch immer nicht aufgeklärt.