Rede im Bundestag 18.06.2020

Rede zur Ent­sende­richt­linie

Mehr dazu hier: www.dagmarschmidt.de/dieschmidt/fuer-europaeische-freizuegigkeit/

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Europa ist in diesen Zeiten noch wertvoller, als es für uns sowieso schon war. Grenzkontrollen, früher selbstverständlich, kommen uns heute wie Fremdkörper vor.

Freizügigkeit ist eine zentrale Errungenschaft der Europäischen Union für Familien, für Freunde, für den Tourismus, für Waren und Dienstleistungen, aber eben auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Und genau für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nach Deutschland entsandt werden, schaffen wir mit diesem Gesetz zahlreiche Verbesserungen.

Wenn die aufgelisteten gesetzlichen Arbeitsbedingungen in einem bundesweiten Tarifvertrag geregelt sind, dann gelten sie jetzt für alle Branchen und nicht mehr nur noch für das Baugewerbe. Statt nur Mindestentgelten können entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jetzt auch andere Elemente, die tarifvertraglich vereinbart sind, wie zum Beispiel Schmutz- oder Gefahrenzulagen erhalten, und die Vergütung kann stärker nach Tätigkeit, Qualifizierung und Berufserfahrung differenziert werden.

Das Gesetz verhindert, dass Aufwandsentschädigungen für Reise, Unterkunft oder Verpflegung auf den Lohn angerechnet werden, und es gelten bessere Bestimmungen für die Unterkünfte. – All das ist der Mühe wert.

Die Pandemie hat uns manche Missstände noch einmal besonders deutlich vor Augen geführt. In der Fleischindustrie – das ist schon genannt worden -, aber eben nicht nur dort gibt es Zustände, die einem sozialen und demokratischen Europa zutiefst unwürdig sind.

Das gilt auch für die Situation von Lkw-Fahrern und Lkw-Fahrerinnen, aber auch für die Situation von Pflegekräften aus Osteuropa und vielen anderen, die hier hart arbeiten und oftmals nicht einmal den Mindestlohn gezahlt bekommen.

Das ist inakzeptabel.

Es geht nicht nur darum, Regeln aufzustellen, sondern auch darum, sie durchzusetzen. Was brauchen wir dafür? Erstens. Man muss um seine Rechte wissen. Deswegen haben wir aus dem Programm „Faire Mobilität“ eine Institution „Faire Mobilität“ gemacht und die Mittel dafür erhöht, und das ist auch gut so.

Und man muss zweitens mehr und besser kontrollieren. Deswegen gibt es Tausend zusätzliche Stellen beim Zoll, und auch das ist gut so.
Aber all das bleibt natürlich nicht die einzige sozialstaatliche Antwort, die wir auf den europäischen Binnenmarkt geben.

Das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ noch besser umzusetzen – die Frage der regionalen Tarifverträge ist angesprochen worden – ist aller Mühen wert: weil es die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die hier arbeiten, verdient haben, weil es die Unternehmen, die faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen sicherstellen, schützt, weil es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die hier in Deutschland ihre Arbeit machen, vor Dumpinglöhnen schützt und weil wir keinen europäischen Wettbewerb um niedrige Löhne, sondern einen Wettbewerb um die beste Leistung wollen.

Nur ein soziales und gerechtes Europa ist auch ein starkes Europa, und das brauchen wir mehr denn je.
In diesem Sinne: Glück auf!