Meine persönliche Erklärung | 18.01.2019

Abstimmung zu sicheren Herkunftsstaaten

Heute Morgen hat der Bundestag die Demokratische Volksrepublik Algerien, das Königreich Marokko und die Tunesische Republik zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Ich habe bei dieser Abstimmung mit „Nein“ gestimmt.

Eine solche Einstufung der drei Maghreb-Staaten ist aus meiner Sicht nicht geboten. Marokko, Algerien und Tunesien sind keineswegs für alle ihre Bürgerinnen und Bürger sichere Herkunftsländer. Die Fristverkürzungen und weiteren Einschränkungen des Asylrechts für diese Personengruppe sind für mich nicht vertretbar. Ich kann diesem Gesetz deshalb nach bestem Wissen und Gewissen nicht zustimmen.

Wer in Marokko die Monarchie öffentlich in Frage stellt oder den König beleidigt, dem drohen harte Strafen ohne faire Verfahren, unmenschliche Haftbedingungen oder gar Folter. Wer in Algerien als Journalistin oder Journalist unabhängig berichtet oder regimekritisch ist, der muss um sein Leben fürchten. Und wer als homo-, bi- oder transsexueller Mensch in Tunesien lebt oder sich dort für die Rechte von Minderheiten einsetzt, der kann nicht auf staatlichen Schutz oder Unterstützung hoffen. Anders als die Mehrheit sind Anders-Denkende oder -Lebende in den Maghreb-Staaten nicht sicher. Solange sie das nicht sind, ist ein solches Gesetz für mich nicht tragbar.

Hinzu kommt die Situation der Sahrauis. Seit vierzig Jahren gibt es keine Lösung für den Westsahara-Konflikt. Solange dieser Konflikt schwelt und über 300.000 Sahrauis unter marokkanischer Besatzung leben, die sie diskriminiert und ihren Widerstand notfalls auch blutig niederschlägt, ist Marokko für sie kein sicheres Herkunftsland. Und auch wir in Deutschland sollten tunlichst vermeiden Marokko als sicheres Herkunftsland erscheinen zu lassen.

Bereits jetzt haben Asylsuchende aus Marokko, Tunesien und Algerien so gut wie keine Bleibeperspektive. Durch die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten wird bei Marokkanern, Tunesiern und Algeriern lediglich die Beweislast umgekehrt. Beschleunigt werden die Verfahren dadurch allerdings nicht unbedingt.

Aber es wird für wirklich verfolgte Menschen viel schwerer nachzuweisen, dass ihnen in ihrem Heimatland ernsthafte Gefahr droht. Ich befürchte, dass es dadurch mehr Fehlentscheidungen geben wird, die für die Betroffenen fatal, im schlimmsten Fall sogar tödlich sein können.

Die Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien ist Symbolpolitik an der falschen Stelle und auf dem Rücken der Betroffenen.

Wir brauchen jetzt neben Klärungen auf europäischer Ebene, Unterstützungen der Herkunftsstaaten und umfassenden Integrationsmaßnahmen vor allem eine wirkliche Beschleunigung der Asylverfahren. In den Niederlanden dauern die Asylverfahren im Schnitt etwa sechs Wochen, inklusive der Gerichtsverfahren und möglichen Einsprüchen. Kein anderes Land in der EU bearbeitet Asylanträge so schnell – dies sollten wir uns zum Vorbild nehmen. Außerdem brauchen wir Rücknahmeabkommen, die sicherstellen, dass diejenigen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, auch abgeschoben werden können.

Ich bin überzeugt, dass die Einstufung zu sicheren Herkunftsstaaten nicht dazu führt, dass der unerwünschte Zuzug aus der Region abnehmen wird. Diejenigen, die kommen, haben andere Gründe und werden sich dennoch auf den Weg machen. Was neben dem oben genannten helfen würde, wären eine gut organisierte Aufklärungskampagne über Aufenthaltsperspektiven und ein Fachkräftezuwanderungsgesetze für einen legalen Weg nach Deutschland. Diese könnte die Zuzugszahlen deutlich stärker reduzieren als ein neues restriktives Gesetz.