EU-Entsenderichtlinie umgesetzt | 18.06.2020

Für europäische Freizügigkeit

Europa ist in diesen Zeiten noch wertvoller geworden, als es sowieso schon war. Grenzkontrollen – früher selbstverständlich – kommen uns heute vor wie Fremdkörper. Freizügigkeit ist eine zentrale Errungenschaft der Europäischen Union – für Familien, für Freundinnen und Freunde, für den Tourismus, für die Warenwirtschaft und Dienstleistungen und für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ob es die polnische Pflegerin im Privathaushalt ist oder der portugiesische Maurer auf der Großbaustelle: viele Menschen aus dem europäischen Ausland arbeiten bei uns in Deutschland. Das Problem dabei: Für sie gelten andere Arbeitsbedingungen als für inländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wird der portugiesische Maurer nun unter Tarif bezahlt, macht zu viele Überstunden und kann von heute auf morgen entlassen werden, ist das nicht nur für ihn skandalös. Es hat auch Auswirkungen auf unseren lokalen Arbeitsmarkt. Ungerechte Arbeitsbedingungen für alle sind die Folge. Der Druck auf Unternehmen und Beschäftigte steigt. Wer sich an deutsches Arbeitsrecht hält, kann möglicherweise nicht mit ausländischen Unternehmen konkurrieren.

Um für gleichwertige Verhältnisse europaweit zu sorgen, haben die damaligen 15 EU-Mitgliedsstaaten mit der seit 1996 geltenden Entsenderichtlinie Mindestbedingungen für entsandte Beschäftigte festgelegt. Der bisher geltende Rechtstext konnte Ausbeutung nicht wirksam verhindern. Auch hat sich die EU seitdem verändert. Sie ist gewachsen und mit ihr die Lohnunterschiede: während die Arbeitsstunde bei uns im Schnitt 33 Euro kostet, sind es in Dänemark 42 Euro und in Lettland nur 7,50 Euro. Dieser Zustand gefährdet nicht nur die entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch den Arbeitsmarkt vor Ort. Deswegen hat das Europäische Parlament am 09. Juli 2018 eine überarbeitete Fassung der Entsenderichtlinie verabschiedet. Wir haben diese gestern in deutsches Recht umgesetzt und damit viele Verbesserungen für ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaffen. Wir sorgen dafür, dass auch aus dem EU-Ausland entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf den geltenden Tariflohn erhalten (statt wie bisher nur auf den Mindestlohn). Außerdem erhalten sie auch Anspruch auf andere tarifvertragliche Regelungen, wie Schmutz- und Gefahrenzulage, und ihre Arbeit wird stärker nach Tätigkeit, Qualifizierung und Berufserfahrung vergütet. Auch stellen wir sicher, dass Aufwandsentschädigungen für Reise, Unterkunft oder Verpflegung nicht auf den Lohn angerechnet werden – denn bisher ist es oft so, dass Essen oder Transport in großem Umfang und nicht nachvollziehbar vom Lohn abgezogen werden. Das haben wir beendet.


Oder hier als Text: www.dagmarschmidt.de/dieschmidt/rede/rede-entsenderichtlinie/