Rede im Deutschen Bundestag | 19.04.2018

Kinderarmut bekämpfen


Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! 
Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Partei Die Linke,
Sie haben uns mal wieder einen Bauchladenantrag vorgelegt. Der Nachteil eines solchen Antrags ist, dass er einen Bauchladen an Forderungen und Themen enthält – alle nur angerissen -, die einzeln schon diskutiert wurden oder noch diskutiert werden, zusammengenommen allerdings noch lange kein Gesamtkonzept darstellen. Der Vorteil eines solchen Antrags ist, dass man sich gut ein Thema herausgreifen kann. Das möchte ich tun. Das Thema heißt „Kinderarmut bekämpfen“, weil ich es beschämend finde, dass immer noch jedes siebte Kind in Deutschland in Armut groß wird.

Deswegen haben wir schon in der letzten Legislatur zahlreiche Maßnahmen beschlossen: Investitionen in die Kitas, in die Kommunen insgesamt, Erhöhung von Kindergeld und Kinderzuschlag, Arbeitsmarktprogramm für Alleinerziehende, Reform des Unterhaltsvorschusses. All das reicht aber definitiv noch nicht. Deswegen haben wir für diese Legislatur erneut ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Kinderarmut im Koalitionsvertrag beschlossen. Wir wollen den Kinderzuschlag zusammen mit dem Kindergeld auf 399 Euro, das sogenannte sächliche Existenzminimum, erhöhen. Wichtig ist – das ist schon gesagt worden -, dass wir dabei auch an den Bürokratieabbau denken; denn bisher nehmen nur 30 Prozent der Eltern ihr Recht auf Kinderzuschlag wahr, und das ist eines sozialen Rechtsstaates unwürdig.

Deswegen wäre es klug, den Kinderzuschlag gemeinsam mit dem Kindergeld auszuzahlen. Dann kann das nicht mehr passieren. Insgesamt wollen wir uns darum bemühen, die Beantragung sozialer Leistungen zu vereinfachen.

Ein weiterer Baustein, um den Menschen das Leben leichter zu machen, ist es, den Eigenanteil beim Mittagessen in Kitas und Schulen für einkommensschwache Kinder abzuschaffen und die Schülerbeförderung kostenlos zu gestalten.

Allein für das Mittagessen fallen 20 Euro im Monat an, und für die Schülerbeförderung kommen 5 Euro obendrauf. 25 Euro sind für diese Familien nicht wenig Geld.

Wir werden die Mittel für das Schulstarterpaket für arme Kinder, das für Ranzen und Material zu Schuljahresbeginn gedacht ist, aufstocken. Bisher erhält man 100 Euro. Der Kinderschutzbund erwartet 214 Euro. Über die Höhe werden wir noch diskutieren. Ich hoffe, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen.
Ganz besonders wichtig am Koalitionsvertrag ist mir der Punkt, in dem es um die Nachhilfe für arme Kinder geht. Gerade arme Kinder haben es schwerer, aufzusteigen und ihr Potenzial zu entfalten. Bisher war es so, dass sie nur dann ein Recht auf Nachhilfe hatten, wenn sie davon bedroht waren, sitzen zu bleiben. Jetzt haben sie die Möglichkeit, auch dann unterstützt zu werden, wenn sie von der Haupt- auf die Realschule oder auf das Gymnasium wechseln wollen. Das ist ein kleiner, aber ganz wichtiger Punkt, der uns im Koalitionsvertrag gelungen ist.

Hinzu kommen: Ausbau und Qualitätsverbesserungen im Bereich der Kinderbetreuung, Abbau der Kitagebühren bis zur Gebührenfreiheit, Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule und viele Maßnahmen wie der hier schon vielzitierte soziale Arbeitsmarkt zur Bekämpfung der Elternarmut. Aber das reicht immer noch nicht. Deswegen werde ich mich weiter dafür einsetzen, perspektivisch zu einer Kindergrundsicherung zu kommen, die ein einheitliches kindliches Existenzminimum, und zwar für alle Kinder, garantiert.

Niemand darf wegen seiner Kinder arm werden. Jedes Kind muss uns gleich viel wert sein. Jedes Kind muss in einem der reichsten Länder der Welt gute und gleiche Startchancen in sein Leben haben. Kein Kind ist für seine soziale Lage selbst verantwortlich. Kein Kind kann sich allein aus seiner Armut befreien. Die meisten von Ihnen wissen aus vielen Debatten, Anhörungen und Studien, was Armut mit Kindern macht: Sie haben schlechtere Entwicklungschancen und öfter gesundheitliche Probleme, und sie werden mit der Erfahrung sozialer Ausgrenzung groß. Deshalb haben wir hier eine ganz besonders große öffentliche Verantwortung.

Winston Churchill hat gesagt:
Eine Gemeinde kann ihr Geld nicht besser anlegen, als indem sie Geld in Babys steckt.

Lassen Sie uns aus der Gemeinde Deutschland und aus den Babys Kinder und Jugendliche machen, und wir wissen: Eine bessere Geldanlage gibt es nicht.