Armuts- und Reichtumsbericht - Teil II

Armutsrisiken

Wie im letzten Newsletter angekündigt, stelle ich Ihnen in meinen Newslettern nach und nach einzelne Aspekte des 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung vor. Heute beschäftige ich mich mit Armutsrisiken, also der Frage, welche Bevölkerungsgruppen besonders von Armut betroffen sind bzw. besonders armutsgefährdet sind.

Als armutsgefährdet gilt in Deutschland, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat, derzeit sind 60% ca. 900 Euro. Die Quote ist seit dem Ende der 1990er Jahre bis 2005 gestiegen und verharrt seitdem bei rund 14 Prozent. Besonders betroffen sind nicht nur Arbeitslose, sondern auch Alleinerziehende, Geringqualifizierte und Menschen mit Migrationshintergrund.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, werden Kinder aus armen Elternhäusern und Kinder mit Migrationshintergrund häufiger wegen Sprach- und Entwicklungsstörungen verspätet eingeschult. Diese Kinder holen ihre Defizite meist nicht mehr auf: Sie besuchen erheblich seltener das Gymnasium oder studieren. Ihr späteres Einkommen wird damit zur Hälfte vom Einkommen und Bildungsstand der Eltern bestimmt. Umgekehrt gilt: Kinder aus finanziell besser gestellten Familien werden bereits in der Grundschule stärker gefördert, erreichen öfter die Hochschulreife und absolvieren später ein Studium.

Wirft man einen Blick auf die Eltern zeigt sich, dass insbesondere Frauen im Vergleich zu Männer mehr von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Das klassische Familienbild mit vollverdienendem Ehemann und „hinzuverdienender“ Ehefrau ist in den Erwerbsstrukturen noch heute fest verankert. Viele Frauen unterbrechen ihre berufliche Laufbahn für die Kindererziehung, arbeiten in Minijobs oder für Niedriglöhne. Auffallend ist: Heute arbeitet fast die Hälfte aller berufstätigen Frauen in Teilzeit, vor 20 Jahren war es nur ein Viertel. Das Problem bei diesem Trend ist, dass Frauen damit doppelt getroffen werden. Selbst bei gleicher Arbeit und gleichen Qualififkationen verdienen Frauen im Schnitt 7 Prozent weniger als Männer. Durch Teilzeit, Minijobs und Niedriglöhne steigt diese Zahl auf 21 Prozent. Im Fall einer Trennung oder Scheidung vom Partner haben es dann vor allem Mütter schwer. Ihr Gehalt reicht oft nicht aus, um eine Familie zu ernähren

Noch stärker sind Menschen mit Migrationshintergrund betroffen. Sie sind doppelt so oft armutsgefährdet als andere. Auch die Arbeitslosenquote ist in dieser Gruppe höher als bei Menschen ohne Migrationshintergrund. Noch erschreckender ist dies bei Kindern: Ein Drittel aller Kinder mit Migrationshintergrund ist von Armut bedroht, bei den Kindern ohne Migrationshintergrund sind es nur 14 Prozent.

Aus diesem Grund teile ich die Handlungsaufforderungen aus dem Bericht, die eine leistungsgerechte Entlohnung, eine stärkere Unterstützung für Kinder und Familien, ein leistungsgerechtes Steuersystem und eine bessere Integration von Menschen mit Migrationshintergrund fordern. Der Schlüssel zur Armutsbekämpfung ist gute Arbeit. Deshalb sind der gesetzliche Mindestlohn, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die gestärkte Tarifautonomie und die Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen wichtige Schritte auf dem Weg zur Armutsbekämpfung. Denn wer gute Arbeit hat und ordentlich verdient, braucht seltener staatliche Unterstützung. Besonders der Mindestlohn wirkt sich spürbar positiv aus. Es ist aber noch viel zu tun, um Armut gezielt zu bekämpfen.